100 Jahre Jung-Club

In den Club-Nachrichten Nr. 196 vom Februar 1925 teilte der Vorstand mit, dass in der Sitzung vom 3. Februar die Gründung einer Jugendabteilung beschlossen wurde. Als Leiter wurde P.C. Matthies benannt.

Mitglieder wurden aufgefordert, ihre Söhne, sofern sie das 15. Lebensjahr erreicht hatten, sowie deren Freunde zur Anmeldung zu bewegen.

Ab dem 1. April sollte die Jugendabteilung zweimal wöchentlich üben.

Warum gründete der Club erst 45 Jahre nach seiner Gründung eine Nachwuchsabteilung?

In Berlin ruderten Schüler bereits, bevor sich der erste Ruderverein 1876 gründete. An der Spree gab es Bootsverleiher, bei denen man Boote mieten konnte. Es waren breite, schwere Boote ohne Rollsitze, mit denen Gymnasiasten die Spree zwischen der Jannowitzbrücke und Treptow befuhren. Einige fanden das nicht genug und so gehörten unter den Pionieren des Rudersports in Berlin auch Gymnasiasten, die es schafften, sich Privatboote zu besorgen oder mit dem ersten namentlich bekannten Ruderer Berlins, dem geheimen Hofrat Gustav Willisch, auf Tour zu gehen. Max Burger, einer der Gründerväter des Clubs, war einer dieser Pioniere. Bereits 1878 unternahm er mit Schulkameraden eine viertägige Tour von der Oberbaumbrücke nach Werder und zurück. Die Jugend strömte mit Begeisterung in die sich bildenden Ruderclubs.

Am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium bildete sich zunächst eine Schüler-Rudervereinigung. Weitere Gymnasien folgten. Es lag nahe, die schon vorhandenen Rudervereine einzubinden, da diese Boote, Zugang zum Wasser, Stege und Expertise bei der Ausbildung der Jugendlichen zur Verfügung hatten. Die Begeisterung für die Marine in Deutschland führte zu einem großen Zulauf dieser Ruderriegen. Ehemalige Schüler spendeten für Boote, und an einigen Schulen in Berlin und im Reich entstanden eigene Bootshäuser. Über die regelmäßigen Besuche des Kaisers und seiner Familienmitglieder in Grünau wurde in den Medien berichtet, was zusätzlich Publikum anlockte. Es war also nicht verwunderlich, dass Admiral von Tirpitz 1902 als Stellvertreter des Kaisers der Cork-Feier des Clubs beiwohnte.

1890 erkannte der Deutsche Ruderverband (DRV) die rudernden Schüler als gleichwertige Ruderer an. Im Jahr darauf wurde auf dem Rudertag entschieden, dass Schülerrudervereine als Mitglieder aufgenommen werden können, wenn es die vorgesetzte Behörde erlaubt. Regatten zwischen Schülervereinen gab es bereits in den 1880er Jahren. Nun wurden die Weichen gestellt, um diese unter dem Dach des DRV durchführen zu können. Der Berliner Ruder-Club war einer der treibenden Vereine dieser Entwicklung und stellte beim DRV den Antrag, Schülerrudervereine aufzunehmen.

Ab 1893 unterstützte der Club die Schülerruderer des Leibniz-Gymnasiums. Dieses war zwar nicht dem Club angeschlossen, wurde aber von Club-Mitgliedern beim Training betreut. Auch beim Berliner Ruder-Verein von 1876 wurden die Schüler des Andreas-Realgymnasiums betreut, und die gymnasialen Ruderer des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums erhielten die Erlaubnis, ihre Boote beim Verein zu lagern.

Kaiser Wilhelm II., der in seiner Jugend selbst in Potsdam und während seines Studiums in Bonn gerudert hatte, förderte die Entwicklung. Der kaiserliche Erlass zur Einführung des Schülerruderns verstärkte den Trend, Schüler ins Ruderboot zu bringen. Ende 1894 stiftete er einen Wanderpreis für Schülerruderer, der bei der Grünauer Regatta im Gig-Vierer ausgefahren werden sollte. Die erste Austragung im Jahr 1895 gewann das Andreas-Realgymnasium.

Beim Club kam eine weitere Schülerruderriege hinzu: Das Luisen-Gymnasium vertraute seine Schüler dem Club an. Im Jahr 1904 zog man eine Bilanz und stellte fest, dass man 150 Schüler zu Ruderern ausgebildet hatte, von denen viele dem Club treu geblieben waren. Dieser Erfolg wurde noch zusätzlich durch den Sieg im Kaiserpreisrennen der Mannschaft des Luisen-Gymnasiums befeuert.

Aus einem Rennen wurde eine eigene Regatta, die einen festen Termin in Grünau erhielt. Die 1200 Meter lange Strecke war ideal für die Schüler. Im Jahr 1905 wurden die rudernden Schüler auf behördliche Anweisung ausgegliedert. Kurze Zeit nach der Jahrhundertwende entstanden die Bootshäuser des Schülerruderverbands am Kleinen und Großen Wannsee sowie in Niederschöneweide.

Der Sportbetrieb ging im Club und im Verein weiter. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte erneut ein starker Mitgliederzuwachs ein. Doch Mitte der 1920er Jahre machte man sich Gedanken über den Nachwuchs. Schon während der Zeit in Stralau hatten ältere Mitglieder ihre Söhne ins Boot gesetzt und ihnen die Grundlagen des Ruderns beigebracht. Doch aus den Schülerruderverbänden fand kaum ein Ruderer den Weg in einen Ruderverein.

Der Kaiser als Autorität war inzwischen im Exil, und sich allein auf die Strahlkraft der sportlichen Erfolge des Clubs zu verlassen, der Ruderer anderer Vereine anzog, für den Club zu starten, wäre fahrlässig gewesen. Auf der Vorstandssitzung am 3. Februar 1925 stellte P.C. Matthies den Antrag, eine Jugendabteilung zu gründen, um die Söhne der Mitglieder und deren Freunde zum Rudersport zu bringen. Es sollte ihnen das Recht eingeräumt werden, das Bootsmaterial zu nutzen und die Übungszeiten so festzulegen, dass sie den übrigen Ruderbetrieb nicht stören. Der Vorstand begrüßte diesen Vorschlag und setzte P.C. Matthies als Leiter ein.

Im Stil der Zeit heißt es: „Wir aber, die wir uns freiwillig der Arbeit an unserer deutschen Jugend hingegeben haben, wir wollen unsere Kräfte in den Dienst dieser guten Sache stellen...“ Am 24. Mai 1925 wurde auf einer Vorstandssitzung berichtet, dass 15 Jungen mittwochs und samstags ab 17 Uhr üben. Die Namen der Jugendlichen sind nicht überliefert.

Zur internen Regatta am 13. September 1925 trat die Jugendabteilung des Berliner Ruder-Clubs erstmals öffentlich in Erscheinung und zählte 22 eingetragene Mitglieder. Aufgenommen wurden Jugendliche über 14 Jahre. Als Ziel und Zweck wurde die Ertüchtigung der Jugend durch die Pflege des Rudersports angegeben.

Ab der Nr. 202 der Club-Nachrichten wurde regelmäßig über die Aktivitäten der Jugendabteilung berichtet, und zwei Ausgaben später, im November 1925, mit der Nr. 204, tauchte zum ersten Mal, wenn auch in Klammern, der Name „Jung-Club“ auf.

P.C. Matthies wurde später Ehren-Protektor des Jung-Clubs und blieb es bis zu seinem Tod. An den Versammlungen des Jung-Clubs nahm er bis ins hohe Alter interessiert teil. Der Jung-Club war ihm sehr wichtig, und für seine „Jungs“ war er stets da.

Ab 1926 nahm der Jung-Club an Regatten teil, zunächst in Potsdam und Grünau. Viele erfolgreiche Ruderer des Clubs machten ihre ersten Schritte im Jung-Club – ein wichtiger Teil des Erfolgs des Clubs bis heute. Ein Beispiel: Vier der Olympiasieger im Vierer mit Steuermann bei den Spielen in Tokio 1964 kamen aus dem Jung-Club: Egbert Hirschfelder (1956), Bernhard Britting (1956), Peter Neusel (1959) und Steuermann Jürgen Oelke (1957). Einzig Joachim Werner fand erst als Erwachsener den Weg zum Club.

Das ist ein Grund, warum dieser Erfolg auch 60 Jahre später noch so bedeutend für den Club ist. P.C. Matthies hatte Recht, als er auf die Gründung einer Jugendabteilung bestand. Im Jung-Club liegt die Zukunft. Wir sollten ihn unterstützen und ruhig öfter einen Blick auf die Aktivitäten der Jungen werfen – vielleicht ist ja ein zukünftiger Olympiasieger unter ihnen.

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