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Gruppe IIIDie 47. Wanderfahrt des Sonnabend-Achters

ging dieses Jahr in das Nachbarland Polen. Die Fahrt wurde von dem ehemaligen polnischen Leistungsruderer, Lukasz Kaczmarek, organisiert. 16 Teilnehmer ruderten in drei Vierern insgesamt 92 Kilometer auf der Warthe flussabwärts unterhalb von Posen (Poznań). Soviel zu den Fakten, und nun zu den Details:

Anreise- und Abreise erfolgten bei Sonnenschein, aber im übrigen wurden die Ruderer gut durchfeuchtet und durchgepustet, bei Anfangs noch winterlichen Temperaturen. Zum Glück hatte der Fahrtenleiter im Tagesablauf genügend Zeitpolster vorgesehen, so dass wir durch flexible Ruderzeiten dem Regen ausweichen konnten. Außergewöhnlich großzügig war die Unterkunft. Das ehemalige Herrenhaus in Wiejce ist heute ein Schlosshotel in einem schönen Park. Es diente uns als Standquartier.

Es begann mit einer dreistündige Stadtführung durch Poznań. Die Stadtführerin brachte uns polnisch- preußische Geschichte, Architektur und Kultur näher. Poznań war die Wiege der polnischen Nation und ist die Hauptstadt der Woiwodschaft Großpolen. Wilhelminische und polnische Prachtbauten schmücken die Stadt und das Rathaus ist eine Perle der Renaissance. Die Posener sind heute noch stolz auf gewisse preußische Tugenden und tragen in Polen den Spitznamen „Kartoffeln“ ohne Groll. 100.000 Studenten machen Posen zu einer jungen, dynamischen Stadt, der fünfgrößten in Polen mit etwa 500.000 Einwohnern.

Die Warthe ist ein naturbelassener Fluss und stellt einen Teil der ca. 700 Kilometer langen Umfahrt genannt „Wasserweg von Großpolen“ dar, zu dem auch die Netze mit ca. 20 Schleusen, einige Seen und ein Verbindungskanal gehören. Sie fließt durch ein großes Naturschutzgebiet mit viel Wald an den Ufern. Einzelne Gehöfte und kleine Dörfer erscheinen am Ufer. Die Ruderer konnten Seeadler, Eisvogel und Biber sehen. Die Steuerleute mussten sich auf den Stromstrich konzentrieren und auf Buhnen und Sandbänke achten. Da es auf unserem Flussabschnitt keine Stege gab, war die größte sportliche Herausforderung der Fahrt das Ein-und Aussteigen. Teils wurde vom Ufer, teils von einer Fähre oder einfach aus dem Schlamm in die Boote ein- und ausgestiegen.

Die Art, wie Lukasz Kaczmarek seine Wanderfahrten seit 7 Jahren durchführt, lässt sich mit „pädagogisch besonders wertvoll“ beschreiben. Das zeigte sich insbesondere an den vier Lektionen, die er uns erteilt hat:

  1. Polnische Geschichte, Kultur und Politik
  2. Polnische Sprache und Wortschatz
  3. Polnische Küche und Essen
  4. Polnischer Wodka und Trinksitten

Zu 1: Neben den oben erwähnten Einzelheiten der Geschichte von Poznań kommt ein alles überragendes Motiv hinzu: Der polnische Patriotismus. Die vielen Denkmäler, Ehrentafeln und Fahnen erinnern an das wechselvolle und gerade mit Deutschland verknüpfte Schicksal der polnischen Nation. Auch die allgegenwärtige katholische Kirche ist nicht zu übersehen. Wer hätte z. B. gedacht, dass die größte Christusstatue der Welt nicht in Rio de Janeiro, sondern in der polnischen Kleinstadt Svibodin steht, die an unserem Heimweg lag.

Zu 2: Lukasz versuchte immer wieder uns die polnische Aussprache anhand von unaussprechlichen Ortsnamen (Miedzychod, Skwierzyna, usw.) oder Speisen nahezubringen. Weitgehend erfolglos. Nur wenige Begriffe wie „Danke“ (dziekuje), „Bitte“ (prosze), “Guten Tag (Dzien dobry), „Bier“ (pivo) oder „Prost“ (Na zdrowie) blieben hängen.

Zu 3:  Gutes Essen und Trinken gehören zur polnischen Volkskultur. Jede unserer Mahlzeiten begleitete Lukas mit der Erläuterung der Speisen und ihrer Zubereitung. Großpolen ist nichts für Vegetarier. Fleisch und Wurst gehören schon beim Frühstück dazu. Die besuchten Lokale waren sorgfältig ausgesucht und vermittelten neben traditionellen Speisen auch Lokalkolorit.

Wodka vom PaddelZu 4: Die Abendlektion zum polnischen Wodka war vielleicht die amüsanteste. Wichtig ist es, bei den klaren Wässerchen zu bleiben und nicht mit Wein und Bier abzuwechseln. Vor allem sollte man den Wodka mit dem Büffelgras oder mit Fruchtaroma den tumben Touristen überlassen. Die Technik des Trinkens -Einatmen, schlucken, ausatmen- wurde intensiv geübt. Die erste Runde servierte Lukasz auf einem Ruderblatt, das zu diesem Behufe mit entsprechenden Löchern für die Gläser durchbohrt war. Beim Trinken in Gesellschaft sollte immer ein „Flaschenwart“ den Tisch mit einer Flasche umkreisen und darauf achten, dass die Gläser nicht leer sind. 

So gingen die teils sehr regnerischen Tage von außen und innen durchfeuchtet fröhlich zu Ende. In seiner Ansprache am festlichen Abschlussabend stellte der Präsident des BRC-Sonnabend-Achters, Hans-Hubertus Pfitzner, befriedigt fest, dass alles sehr harmonisch verlaufen ist. Die Einteilung der Bootsbesatzungen und der Wechsel der Steuerleute und des Landdienstes fand in freundlichem Einvernehmen und ohne Widerspruch statt. Beim Auf- und Abriggern, beim Putzen der Boote und beim Ein- und Aussteigen waren immer genügend hilfreiche Hände zur Stelle. Lukasz setzte sich mit seiner jugendlichen Autorität und seiner Ortskenntnis gegen die altersgestählte Riege des BRC jederzeit charmant durch. Die Krawatte des BRC als Abschiedsgeschenk nahm er ebenso dankend wie die Einladung nach Berlin an.

Das Ziel des Sonnabend-Achters, nämlich das sportliche Rudern und die Pflege der Kameradschaft zu verbinden, wurde auch dieses Mal erreicht. Nur zweieinhalb Fahrstunden von Berlin entfernt erlebten die Kameraden eine schöne und interessante Wanderfahrt auf der Warthe.

PS: Der Organisator Lukasz Kaczmarek, Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!